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Das #metoo-Paradoxon bei männlichen ABs

Gleich vorweg, das wird ein längerer Beitrag. Ich muss etwas ausholen.

Die #metoo-Debatte hat vieles in Bewegung gebracht und bei uns Männern einige Verunsicherung ausgelöst. Natürlich auch bei ABs. Klar, die Gleichberechtigung stand schon vorher im Grundgesetz. Aber in vielen Bereichen im wirklichen Leben haperte es doch ziemlich mit der Umsetzung.

Gleichberechtigung?

Welche Regeln sollen denn nun gelten? Soll wirklich Ernst gemacht werden? Absolut gleiche Rechte, gleiche Pflichten, egal welches Geschlecht? Auch beim Flirten? Beim Sex? Im ersten Moment werden sicher die meisten Menschen sagen: „Ja logisch, was denn sonst?“

Die meisten Menschen haben sich aber auch noch nie darüber Gedanken gemacht, wie ‚Flirten‘ überhaupt passiert. Man macht es einfach so, wie man es aus Filmen kennt. Oder wie man es damals als Teenager gelernt hat. Es wird nie darüber geredet, man liest nicht darüber, wenn es denn überhaupt etwas Brauchbares darüber zu lesen gibt.

Natürlich kann eine Frau heutzutage auf einen Mann zugehen, das Gespräch eröffnen, versuchen, ihm näher zu kommen, seine Telefonnummer zu erfahren – flirten halt. Aber wenn der Mann nicht super toll aussieht oder berühmt ist, dann passiert das kaum jemals. Frau schickt, wenn Mann Glück hat, allenfalls ein paar Signale, dann soll meistens immer noch der Mann handeln. Wie früher halt.

Ich hab vor einigen Jahren an einem Flirtseminar teilgenommen, wo ich zu meiner großen Überraschung der einzige Mann war. Also mussten zwangsläufig auch Frauen die Kontaktaufnahme-Übungen miteinander machen. Für die meisten war das ein echtes Aha-Erlebnis: „Ich wusste gar nicht, was ich sagen soll. Ich hatte ein ganz komisches Gefühl, wenn ich den nächsten Schritt machen sollte. Ich hatte echt richtig Schiss. Wahnsinn, ist das anstrengend!“

Und beim Sex? Wie passt Gleichberechtigung zu dem gigantischen Erfolg von ‚fifty shades of grey‘? Was wollen die Frauen denn nun wirklich? Kein Wunder sind wir Männer verunsichert. Das sind einfach widersprüchliche Ansagen. Auf den ersten Blick. Aber darauf komme ich noch zurück.

AB-Perspektive

Wie stellt sich die Situation für männliche ABs dar? Offensichtlich wird ja immer noch erwartet, dass der Mann einen Großteil der Initiative ergreift und mutig voran geht. Die meisten ABs sehen (so weit ich das bisher einschätzen kann) völlig normal aus. Hätte ich von allen Klienten Fotos gemacht und würde die Menschen auf der Straße zeigen, käme nie im Leben jemand darauf, was die Männer auf den Bildern gemeinsam haben. Aber das bedeutet, die meisten sehen wiederum auch nicht so toll aus, dass das Flirten ein kompletter Selbstläufer wäre. Völlig normal eben.

Das Flirten ist schon für die meisten erfahrenen Männer eine Herausforderung mit ordentlich Adrenalin im Blut. Wegen dieses Kicks ist es ja auch so reizvoll. ABs fehlen in der Regel positive Erfahrungen. Das macht es noch viel schwieriger. Wie soll man souverän und optimistisch wirken, wenn man bisher fast jedes mal zurück gewiesen wurde? ABs sind aber nach meiner Erfahrung meistens keine ängstlichen oder unsicheren Persönlichkeiten. Sie ziehen einfach aus den bisherigen Erfahrungen angemessene und sehr vernünftige Schlüsse. Man fasst ja auch nicht leicht und entspannt absichtlich auf eine glühende Herdplatte.

Es ist die Sehnsucht, die eben keinen Unterschied macht zwischen ‚Normalos‘ und ABs. Und so wagen sich auch ABs immer wieder in Begegnungen.

Alltagskontakte

Die ABs, die ich bisher kennen lernen durfte, sind fast alle freundliche, höfliche Menschen. Sie begegnen Frauen mit Respekt und Anstand. Oft haben sie so viel davon, dass sie sich nicht trauen, weit genug auf eine Frau zuzugehen. #metoo macht das nicht einfacher. Immer wird gesagt, dass wir Männer mehr Zurückhaltung zeigen sollten, dass jede Art von Interessensbekundung als Übergriff empfunden werden kann. Also besser vorsichtig sein. Das machen die meisten ABs dann auch.

Eine häufige Erfahrung ist: „Ich fand die Frau so toll, wir haben immer wieder miteinander geredet, und ich hatte den Eindruck, dass es gut läuft. Aber als ich ihr irgendwann gesagt hab, dass ich mehr empfinde, ist sie aus allen Wolken gefallen.“ Die Frau hatte den Austausch genossen, aber für sie hat er nie eine sinnliche Ebene berührt. Sie hatte nie gemerkt, dass da jemand grade sehr großes Interesse an ihr als Frau hat.

Und wenn ein AB es doch schafft, ein Date auszumachen, dann läuft es auch oft nicht gut. Und das ist das Paradox aus der Überschrift: Der Mann hat so viel Respekt, und trotzdem fühlt sich die Frau unwohl und vielleicht bedrängt. ABs machen anscheinend gleichzeitig zu wenig und zu viel! Wie kann das sein?

Richtiger Kontakt beim Date und im Leben

Der Schlüssel liegt im Kontakt. Nehmen wir an, da liegt ein großer Hund. Ich komme leise von hinten, bücke mich runter und fange an, ihm das Fell zu kraulen. Wahrscheinlich erschrickt er, knurrt oder beißt mich gleich in die Hand. Schlauer ist es, von vorne zu kommen, Blickkontakt zu suchen. Wenn der Hund dann neugierig auf mich wird, mit dem Schwanz wedelt und in meine Richtung lauscht, dann kann ich vorsichtig näher kommen. Mich beschnuppern lassen, und dann freut er sich sicher über ein paar Streicheleinheiten. Oder dass endlich jemand mit ihm spielt. Oder er dreht gemütlich ab und legt sich wieder hin. Der Unterschied liegt darin, dass ständig Kontakt da war. Dass es ein abwechselndes aufeinander Zugehen war. Dass sich jeder jederzeit zurück ziehen konnte.

So ähnlich funktioniert im Grunde jeder gute Kontakt. Viele ABs haben die Sorge, sie seien irgendwie falsch. ‚Nach so vielen Misserfolgen muss es ja etwas Fixes sein, vielleicht ja Schicksal.‘ Das ist aber glaube ich fast nie der Fall. Sie verhalten sich schlicht falsch. Sie sind beim Flirten so im Stress, dass sie völlig mit sich selbst beschäftigt sind. Was soll ich tun? Was wird jetzt von mir erwartet? Schwitze ich zu sehr? Wirke ich unsicher? Wie kann ich diese Frau für mich gewinnen?

Wie gesagt, der Stress ist absolut verständlich. Es fehlt aber in diesem Moment der Kontakt. Die Frau sitzt gegenüber und fühlt sich merkwürdig. ‚Der Kerl redet mit mir, aber geht gar nicht auf das ein, was ich gesagt hab. Schaut mir nicht richtig in die Augen. Fragt nicht, wie es mir geht. Es sieht von außen aus wie ein Kontakt, aber es fühlt sich nicht so an. Was passiert da grade?‘

Wenn so eine Situation vorliegt, fühlt sich für die Frau alles falsch an, was der Mann tut. Sie fühlt sich als Objekt, weil sie als Person nicht im Kontakt vorkommt. Selbst wenn es nur ein Gespräch über Alltagsthemen ist. Obwohl nichts geschieht, fühlt es sich vielleicht übergriffig an.

So lange aber ein Blickkontakt besteht, so lange ein wirklicher wechselseitiger Austausch da ist, ist auch erstaunlich schnell erstaunlich viel möglich. Als Mann sollte man die Frau gegenüber mindestens so ernst nehmen wie den großen Hund. Nicht weil sie gefährlich wäre. Die allermeisten Frauen neigen ja nicht dazu, Männer beim Date zu beißen. Nein, weil sie unsere Aufmerksamkeit verdient haben, wenn sie schon ihre Zeit mit uns teilen.

Diese Aufmerksamkeit garantiert natürlich nicht, dass jede Begegnung super gut verläuft. Aber wenn ein guter Kontakt besteht, kann man sowohl vermeiden, übersehen zu werden, als auch als Übergriffig empfunden zu werden. Und genau dazwischen verläuft der Weg! Wer weiß, wo man dann raus kommt. Vielleicht sogar bei ‚fifty shades of grey’… 🙂